Projektbeschreibung

Am Helvetiaplatz wird vom 6 bis 11 August 2007 ein Bus aufgestellt, in dem sich der gesamte Besitz der Performerin Marina Belobrovaja befindet. Auch sie ist vor Ort anwesend. Auf einem grossen Plakat steht geschrieben:


"Schaffen Sie mich hier raus!"
"Sehr geehrte Damen und Herren, meine Aufenthaltsbewilligung läuft am 21 August ab. Leider besitze ich keinen Führerschein. Bitte, helfen Sie mir, mich rauszuschaffen, tun Sie etwas Gutes für Ihr Land!"

Welche Grenze (Frankreich, Deutschland, Italien oder Österreich) angesteuert wird, die Distanz und die Dauer der Fahrt sind den freiwilligen Fahrern und Fahrerinnen überlassen. An dem jeweiligen Ort, zu dem der Bus hingebracht wird, soll die Aktion fortgesetzt werden.

Im Anschluss an die "Abschiebung" wird Anfang September im White Club / Salzburg eine Ausstellung zur Aktion stattfinden.
Ausserdem wird die "Abschiebung" von Emma Nilsson / London durchgehend dokumentarisch begleitet.


16.08.2007

WOZ / 16 August 2007 / Teil 2

4 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Liebe Marina

Habe mir heute mit einiger Spannung die WoZ gekauft, um den zweiten Teil des Gesprächs mit Dir zu lesen. Bei mir hast Du Deine Anliegen irgendwie rübergebracht: Bisher waren für mich Ausschaffung, Abschiebung eher abstrakte Begriffe, die ich irgendwie zur Kenntnis nahm, wenngleich ich in "Einzelfällen" ab und zu dagegen mitprotstierte....
Du bist für mich letzte Woche mit Deiner Aktion mehr und mehr zu einer konkreten Person geworden. Auf dem Bild manifestierst Du Dich mit schakhafter Präsenz.... Dies trotz der Aussage von Dir in der Bildlegende: "Die Diskrepanz meiner Rolle schafft Verwirrung". Worin wohl liegt diese Verwirrung denn?
Dich abzuschieben, das ist mir während der ganzen Wochen nicht in den Sinn gekommen, vermutlich auch deshalb, weil ich ich Dich dialogisch erlebe. Ich empfinde eher das Gegenteil: Die bleibt mir da!
Doch wie ist es mit Leuten aus dem Süden, die ich sozusagen statistisch erlebe, z.B. in einer Zeitungsnotitz, also keine Beziehung zu ihnen habe.
Letztlich geht's mir um eine humanere Gesellschaft, welche es weniger nötig hat, auszugrenzen, abzuschieben, auszuschaffen. Im Gespräch mit Adrian Riklin sprichst Du Widersprüche an, die Du bei einigen Linken feststellst. Solche erlebe ich in mir auch....Hat das wohl etwas mit meinem Selbstwertgefühl zu tun? Die hiesige Sozialisation ist Teil von mir und sehnt sich, trotz Bemühen um Solidarität, Internationalismus etc. nach hiesiger Behaglichkeit....
Nochmals zu Deiner Frische auf dem Bild, die sicherlich mit der Müdigkeit von Dir und Emma Nielsson Ende letzter Woche bei Abschluss Eurer Aktion kontrastiert.....

Herzlich

Jochi Weil-Goldstein

Anonym hat gesagt…

Nachtrag zum 1. Kommentar:

Da war ich doch gestern Abend einerseits müde, andererseits habe ich keine Erfahrungen mit Blogs. Drum seien mir einige Unklarheiten und Fehler oben verziehen. Können Fehler nachträglich, also nach dem Abenden eines Kommentars, noch verbessert werden? Wenn ja, wie?

Seit vielen Jahren fordere ich ein Menschenrecht, um angstfrei Fehler machen zu dürfen. Dies mit der einzigen Verpflichtung, solche nach Erkenntnis verbessern zu wollen.....

- Zu "Anonym Hat gesagt": Es liegt nicht in meiner Art als Anonym aufzutreten.....
- Zu meinen Fehlern: , wenngleich ich in "Einzelfällen" ab und zu dagegen mitprotestierte....
- Auf dem Bild manifestierst Du Dich mit schalkhafter Präsenz....
- z.B. in einer Zeitungsnotiz.

Und: Liegt wohl das Verwirrliche angesichts der Gefahr ausgeschafft zu werden, gerade in Deinem schelmisch-optimistischen Gesichtsausdruck?

Sowie als Zusatz: Wie viel Öffnung ertrage(n) wir/ich in der Schweiz?

Jochi

marina belobrovaja hat gesagt…

Lieber Jochi

Du schreibst:
"Dies trotz der Aussage von Dir in der Bildlegende: "Die Diskrepanz meiner Rolle schafft Verwirrung". Worin wohl liegt diese Verwirrung denn?"

Bei dieser Aussage beziehe mich auf die merkwürdige, aber leider der allgemeinen Wirklichkeit entsprechende Feststellung, die während der Aktion so deutlich wurde.

Zwar bin ich nicht davon ausgegangen, dass die Aktion mir einen, von der üblichen heterosexuellen Rollenverteilung befreiten Raum bietet, jedoch habe ich es nicht erwartet, mich im Laufe der Performance mit dieser Thematik dermassen verstärkt auseinandersetzen zu müssen.

Später stellte ich fest, dass es eigentlich nahe liegt und die von mir in der Aktion angenommene "Rolle" - "schwache und bedürftige Frau" - "das Opfer" und "abgeklärte Provocateurin" also "die Täterin" die traditionellen geschlechtsspezifischen Verhaltensmuster irritiert.

So zielten mehrere von Aggressivität geprägte Begegnungen eher darauf ab, nicht einen Streit über Kunst oder Politik auszutragen, sondern die Dominanzen klar zu stellen.



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"Im Gespräch mit Adrian Riklin sprichst Du Widersprüche an, die Du bei einigen Linken feststellst. Solche erlebe ich in mir auch....Hat das wohl etwas mit meinem Selbstwertgefühl zu tun?"

Lieber Jochi, im Gespräch mit Adrian glaube ich von Menschen gesprochen zu haben, die sich auf diesen Grad der Selbstreflektion, die Du hier vollziehst, gar nicht in der Lage sind, einzulassen.

Vielmehr geht es dabei um Leute, für die das Links-Sein eine Art Lifestyle darstellt. Dabei bezieht man sich auf bestehende Konventionen in dem Umfeld, in dem man sich aufhält, hantiert mit Begriffen und Positionen mit einer Selbstverständlichkeit, die nur aufgrund ihrer Konformität so lakonisch und schlüssig daherkommt.

In der unmittelbaren und unvorbereiteten Konfrontation (wie sie während der Aktion teilweise möglich war) tun sich da auf ein mal unerwartete Kluften auf und die angepasste Oberfläche zerfällt. Dabei geht es nicht um das Hinterfragen, sondern eher um die Ignoranz oder halt Naivität.

Aber:

Ist das Zweifeln an den quasi festgeschriebenen Tatsachen und das Hinterfragen der festgefahrenen Konventionen nicht das eigentliche Urprinzip des Links-Seins?

Anonym hat gesagt…

Es ist Schabbatnachmittag, liebe Marina, also Zeit für Reflektionen.....

Zu "Später stellte ich fest, dass es eigentlich nahe liegt und die von mir in der Aktion angenommene "Rolle" - "schwache und bedürftige Frau" - "das Opfer" und "abgeklärte Provocateurin" also "die Täterin" die traditionellen geschlechtsspezifischen Verhaltensmuster irritiert."

Jetzt verstehe ich Dich etwas: Habe Dich bald als (auch) starke Frau, starken Menschen erlebt.
Vermutlich hält sich meine Verwirrung deshalb in Grenzen, weil ich vor vielen Jahren bei den Kritischen Jüdinnen und Juden der Schweiz KJJS selig in der Täter - Opfer oder Opfer - Täter- Gruppe mitgearbeitet habe. Quintessenz: Auch ich bin wohl beides...

Zu "Vielmehr geht es dabei um Leute, für die das Links-Sein eine Art Lifestyle darstellt. Dabei bezieht man sich auf bestehende Konventionen in dem Umfeld, in dem man sich aufhält, hantiert mit Begriffen und Positionen mit einer Selbstverständlichkeit, die nur aufgrund ihrer Konformität so lakonisch und schlüssig daherkommt."

Und wie ich das als alt-Linker und (dennoch) frei schwebender Marxist, bald ewiger Sympathisant der PdA mit kleinbürgerlich-jüdischem Hintergrund vom unteren Zürichberg (her) nachvollziehen kann....

"In der unmittelbaren und unvorbereiteten Konfrontation (wie sie während der Aktion teilweise möglich war) tun sich da auf ein mal unerwartete Kluften auf und die angepasste Oberfläche zerfällt."

Ist das prinzipiell oder auch graduell zu verstehen?

Zu Deiner "provokanten" Frage am Schluss.

"Ist das Zweifeln an den quasi festgeschriebenen Tatsachen und das Hinterfragen der festgefahrenen Konventionen nicht das eigentliche Urprinzip des Links-Seins?"

- Ich würde sagen e i n Urprinzip.
- des Links-Seins: Spannend. Hängt dies nicht vor allem vom Grad je unserer eigenen Entfremdung ab?
- Nochmals zu "Ist das Zweifeln an den quasi festgeschriebenen Tatsachen und das Hinterfragen der festgefahrenen Konventionen nicht das eigentliche Urprinzip des Links-Seins?": und anderer Ideologien (ausser faschistoiden, faschistischen) und Religionen - sofern diese in ihrer manigfachen Vielfältigkeit erkannt und erst noch gelebt werden.....

Dir ein angenehmes Wochenende.